Diakonie 4.0: Wie zukunftsfest sind unsere Einrichtungen?

(23. August 2019) Auch soziale Dienste kommen nicht darum herum, sich mit den Ursachen, Trends und Auswirkungen der Digitalisierung in der modernen Arbeitswelt zu befassen. Dabei stehen nicht nur Technologien im Mittelpunkt. Für diakonische Einrichtungen ist genauso wichtig, das Führungsverständnis neu zu beschreiben und traditionelle Arbeitsweisen zu hinterfragen.

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Intervisionsgruppen, Online-Tools und praktische Erfahrungen in Lernwerkstätten sind wichtige Elemente der Qualifizierung „Diakonie 4.0 – Wert & Wandel diakonischer Arbeit aktiv gestalten“

Um in den Turbulenzen der neuen und digitalisierten Arbeitswelt nicht verloren zu gehen, hilft ein kühler Kopf, eine durchdachte Strategie und die Bereitschaft, Neues auszuprobieren. Deswegen haben wir die Qualifizierung „Diakonie 4.0 – Wert & Wandel diakonischer Arbeit aktiv gestalten“ ins Leben gerufen.

Die digitale Arbeitswelt – Am Anfang stehen die richtigen Fragen.
Das Sozialwesen verändert sich. Diakonische Einrichtungen stehen vor neuen Fragen: Wie wirken sich die Digitalisierung und veränderte Führungsstile und Arbeitsweisen auf uns als Diakonie aus? Wie können uns die anders gestalteten Abläufe dabei helfen, besser mit unseren Klienten zu arbeiten? Mit welcher Haltung, welchem Menschenbild und welchen Werten wollen wir in der modernen Arbeitswelt bestehen?

Diese Fragen betreffen nicht nur die Einrichtung als Ganzes, sie können sich vielmehr bei jedem Mitarbeitenden auf den Arbeitsalltag auswirken. Konzepte, wie man die sogenannte „digitale Transformation“ gestalten kann, gibt es sehr viele. Doch sind die meisten für Unternehmen im Profit-Bereich gedacht. Eine Anpassung dieser Konzepte an Einrichtungen der Wohlfahrtspflege fordert heraus, da wir den Menschen und nicht den wirtschaftlichen Erfolg im Vordergrund sehen. Setzt man jedoch ein Konzept richtig um, bietet es die Chance, das Arbeitsklima und nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit Hilfebedürftigen zu verbessern. Zeitfressende Prozesse kann man vereinfachen, damit mehr Zeit für das Wesentliche bleibt: Der Umgang mit dem Menschen.

Viele Einrichtungen sind bereit, diese Veränderungen anzustoßen. Teilnehmende des ersten Qualifikationskurses sagten: „In den letzten Jahren sind wir stark gewachsen. Das merkt man. Wir suchen nach Identität. Wir versuchen unsere Werte zu benennen und zu bündeln. Doch noch fehlt uns das wirkliche Know-how, um unserer Personal- und Organisationsentwicklung das richtige Gesicht zu geben. Das ist die Grundlage für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Vor allem aber ist es mir wichtig zu erkennen, wo wir ansetzen müssen, wo günstige Hebel sind, was der Organisation und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern guttut. Das müssen wir gestaltend in die Hand nehmen, um unsere Fachbereiche für eine weitere Entwicklung zu motivieren.“

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Die Reflexion bestehender Organisations- und Führungsstrukturen bilden den Kern des Projektes: „Wo stehen wir gerade? Wo wollen wir hin?“ Das gilt es, zu klären.

Weiterbildung von Schlüsselkompetenzen – gute Vorbereitung ist alles!
Wie findet eine Diakonieeinrichtung Antworten auf die vielen offenen Fragen? Das ist der Punkt, an dem unser Projekt „Diakonie 4.0“ ins Spiel kommt. Ziel dieser Qualifizierung ist es, Führungskräfte und Mitarbeitende auf die neuen Anforderungen vorzubereiten und bei Herausforderungen handlungsfähig zu machen. So vermitteln wir nicht nur neue Sichtweisen, wie man die Arbeit in der Einrichtung gestalten kann. Die Teilnehmenden setzen sich auch mit den Bedingungen auseinander, die man schaffen muss. Dazu gehört auch ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld, in dem die Mitarbeitenden eigenverantwortlich ihre Ideen umsetzen können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dadurch nicht nur zufriedener, sondern können auch positiv gestärkt mit Klientinnen und Klienten arbeiten.

Gemeinsame Ziele und eine Vision für die Einrichtung bilden die Grundlage für den Veränderungsprozess. Diese Basis hilft den Mitarbeitenden, sich mutig der komplexen Dynamik der neuen Arbeitswelt zu stellen. Das bestätigten die Teilnehmenden aus den Einrichtungen des ersten Kurses: „Die zunehmende Geschwindigkeit und die Komplexität innerhalb der Sozialwirtschaft erfordern neue Methoden. Die Anforderungen sind oft unscharf. Sie bedürfen einer ganz neuen Art des Projektmanagements und der Arbeitsorganisation. Nicht zuletzt ändern sich auch die Arbeitspsychologie und die Unternehmenskultur stark.“

Es geht also darum, lebendige Organisationen zu gestalten, in denen die Menschen gern und eigenmotiviert arbeiten können. Die Konzepte des „New Work“ sind teilweise sehr komplex und können ungewohnt und fremdartig anmuten. Doch liegt in diesen eine große Chance für diakonische Einrichtungen: Die Chance, eine Kultur zu etablieren, die sowohl das Gemeinschaftsgefühl, als auch die Bindung für einzelne Mitarbeitende stärkt. Deswegen sollten Einrichtungsleitende auch darüber nachdenken, wie man die Arbeitszeit der Mitarbeitenden flexibler und die Kommunikation besser gestalten kann. Auch die Teamdynamik sollten sie hierbei auf den Prüfstand stellen. Diese spielt bei Feedback und im Umgang mit Fehlern innerhalb des Teams eine Rolle.

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Eine Veränderung der Organisationsstruktur geht Hand in Hand mit technischen Weiterentwicklungen. Virtual Reality-Brillen geben einen Einblick in die Welt von morgen.

„Diakonie 4.0 - Werte & Wandel diakonischer Arbeit aktiv gestalten“ qualifiziert ab Juni 2019 Interessierte in diesem Bereich der Personal- und Organisationsentwicklung. Wir wollen, dass die Teilnehmenden Bestehendes hinterfragen und Veränderungsprozesse anstoßen. Lernwerkstätten und Praxisprojekte bilden das Herzstück der Qualifizierung. In diesen werden Methoden wie Scrum, Design Thinking und Kanban vermittelt. Viele Einrichtungen haben schon Erfahrungen, die sie in die Kurse einbringen können: „Wir verändern gerade eines unserer Seniorenzentren. Es geht hier einerseits um digitale Pflegeplanung, Assistenzsysteme, Fragen der Ethik im Rahmen der neuen Technologien, Datenschutz und eine Mitarbeiter-App für Dienstpläne. Andererseits geht es auch um die Einbindung der Mitarbeitenden, Bewohner und Besucher in die Digitalisierung, inklusive deren unterschiedlichen Erfahrungen, Erwartungen, aber gegebenenfalls auch der Skepsis. Es wird sich ja viel im Einrichtungsalltag verändern.“

Sie haben Interesse am Thema? Für den dritten Kurs im Konrad Martin Haus Bad Kösen suchen wir noch Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Weiterbildung erfolgt in Zweier-Teams, die von der Einrichtung entsandt werden. Die Tandems sollten hierarchieübergreifend besetzt sein und bestenfalls Teilnehmende unterschiedlichen Geschlechtes und Alters umfassen. Das ermöglicht es, die Inhalte in der Einrichtungspraxis nachhaltig zu integrieren. In Ausnahmefällen kann auch nur eine Person einer Einrichtung teilnehmen. Insgesamt stellen wir 42 Plätze in drei Kursen zur Verfügung.

Hintergrund: Die Diakonie Mitteldeutschland bietet eine neue Qualifizierung im Bereich der agilen Personal- und Organisationsentwicklung für ihre Mitgliedseinrichtungen an. Seit Juni befasst sich Diakonie 4.0 mit der Frage der Zukunftsfähigkeit diakonischer Einrichtungen. Die berufsbegleitende Qualifizierung richtet sich an Mitarbeitende aller Tätigkeitsfelder der Sozialwirtschaft, die den digitalen Wandel in ihrer Organisation gestalten wollen und Freude an Innovationen haben. Weitere Informationen und die Anmeldung finden Sie hier.

  • 16.09.2019
    Digitale Disruption

    Tristan Fürstenau

    Hallo Herr Thorwirth,

    vielen Dank für Ihren spannenden Kommentar. Die Entwicklung von KI ist meiner Meinung nach nur schwer einzuschätzen. Doch eine rein technisch Weiterentwicklung, ohne dabei über moralische Fragen und Standards zu sprechen, kann meiner Meinung nach nicht der richtige Weg sein. Aufhalten kann man die Entwicklung nicht, aber man kann sie gestalten.

    Viele Grüße
    T. Fürstenau

  • 11.09.2019
    Digitale Disruption

    R. Thorwirth

    Hallo,

    vielen Dank, das ich auch am Thementag "DIGITALE DISRUPTION – BEREIT FÜR DIE ZUKUNFT?" teilnehmen konnte!

    Was diesen Blog-Beitrag "...das Führungsverständnis neu zu beschreiben und traditionelle Arbeitsweisen zu hinterfragen..." angeht, müsste ich eigentlich resignierend abwinken... gebe die Hoffnung aber nicht auf ;-)

    Was mich derzeit sehr umtreibt, ist die Thematik "KI"; umso mehr, dass ich vor kurzem Jay Tuck im Rahmen eines Vortrages persönlich kennen lernen konnte... Auch wenn sein Buch "Evolution ohne uns" doch teilweise sehr plakativ daher kommt, ist es doch sehr allgemeinverständlich... und einfach gruselig. Trotz oder gerade deswegen ich auch in der EDV tätig bin, erkenne ich hier das Potential aber auch die Gefahr, die exponentiell auf uns zu rast... und wir sind alles andere, als vorbereitet... eigene Plattform hin oder her...
    Hier Zitat meines Kommentars dazu aus unserem Intranet:
    KI
    Alles, was wir sekündlich... online... über Suchanfragen, Bestellungen, Kommunikation... Plattformen eingeben, ausgeben, austauschen, suchen, finden, teilen...
    ...landet bei Google... Deep Learning... KI wächst, lernt exponentiell*... vernetzt sich immer mehr**, steuert selbstständig... und wird bald selbst EINE EINZIGE riesige Plattform sein?!***

    Haben wir noch wirklich Einfluss auf die exponentielle Entwicklung? Denken wir daran, einen Stopp-Befehl mit zu programmieren...?!

    *KI = ist nichts anderes, als ein Supercomputer
    **Supercomputer vernetzen sich, schreiben zunehmend ihre eigenen Updates, dessen Code teilweise nicht mehr von Menschen lesbar ist, legen (Cloud-)Backups an, können sich so jederzeit reproduzieren...
    ***Was ist, wenn diese KI (vernetzte Supercomputer) eigene Schlüsse zieht, weil sie wesentlich effizienter, emotionslos handelt...?!