Digitalisierung muss neue Teilhabechancen eröffnen

Hallesche Erklärung
Mitgliederversammlung Diakonie Mitteldeutschland, 30. Oktober 2019

Digitalisierung verändert Sozialräume und die Lebenswelten der Menschen. Der Megatrend Digitalisierung schließt alle Lebenszusammenhänge ein – auch die Diakonie, die Soziale Arbeit der evangelischen Kirchen. Wir wollen und müssen diese grundlegenden Veränderungen wahrnehmen, kritisch reflektieren und aktiv begleiten. Digitale Räume sind soziale Räume. Wir stehen für Anstand, Respekt und Ehrlichkeit in den sozialen Netzwerken.

Digitale Teilhabe als Soziale Teilhabe
Moderne digitale Infrastruktur muss Teil der Daseinsvorsorge werden. Sie dient der gesell­schaftlichen Teilhabe aller Menschen, vor allem auch in ländlichen Regionen. Wir brauchen leichte Zu­gänge in den Wohnquartieren genauso wie in den Hilfe-Einrichtungen. Digitale Infrastruktur muss deshalb in jeder Sozial- und Bildungseinrichtung bereitstehen. Der Ausbau verursacht Kosten. Investitionen und Betriebskosten für Digitalisierung und digitale Teilhabe müssen in die sozialgesetzliche Regelfinanzierung einbezogen werden.
Gesellschaftliche Entwicklungen durch Digitalisierung müssen neue Teilhabechancen eröff­nen und nicht überkommene Selektionsmechanismen verstärken. Unser christlicher Auftrag der „besonderen Option für die Armen“ gilt auch in der digitalen Welt. Der Zugang zu grundle­genden Informationen und Fürsorgeleistungen darf für Anspruchsberechtigte nicht an mangel­hafter technischer Ausstattung scheitern.

Neue technische Möglichkeiten - Mehr Zeit für Menschen
Digitale Geräte und Dienste erweitern Kommunikation und ermöglichen neue Formen der Teil­habe für Menschen. Technische Innovationen erleichtern aber auch die Arbeit der Mitarbeiten­den unserer Einrichtungen. So könnte alltägliche Zeit für persönliche Ansprache und Hinwen­dung gewonnen werden. Wir erkennen darin die Chance, wachsender Vereinzelung und Ein­samkeit zu entgegen zu wirken.
In dieser Perspektive der Digitalisierung können soziale Berufe eine praktische und gesell­schaftliche Aufwertung erfahren. Die direkte Zuwendung zum Menschen könnte wieder mehr Raum gewinnen. Technische Unterstützung erleichtert körperliche Arbeit, digitalisierte Pro­zesse können Mitarbeitende von Routinen entlasten. Der Mensch als Ebenbild Gottes bleibt dabei im Mittelpunkt diakonischen Handelns.

Soziale Sicherheit auf den digitalen Arbeitsmärkten
Bestehende Berufsbilder verlieren an Bedeutung, gleichzeitig entstehen neue. Eine fortschrei­tende Plattformökonomie lässt neue Tätigkeiten auch jenseits typischer Erwerbsarbeit entste­hen. Das Wechseln zwischen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und Selbständig­keit nimmt zu. Dabei sind auch hier ausreichende Altersvorsorge, Arbeitsschutz und Unfallschutz sicherzustellen. Die Veränderungen verlangen daher nach neuen Lösungen für Sozial­versicherungen und Gesundheitsschutz Die bestehenden Existenzsicherungssysteme müs­sen den Lebenswelten der Menschen und der neuen digitalen Arbeitswelt angepasst werden.
Soziale Arbeit setzt sich für gerechte Teilhabe ein, kann Chancen eröffnen und Selbstbestim­mung und Selbstwirksamkeit der Menschen fördern. Digitalisierung darf die Würde und Frei­heit des Menschen nicht einschränken durch Daten- und Machtmissbrauch, Manipulationen und Fremdbestimmung.