Deutschland hat mir das Leben gerettet. Deswegen möchte ich helfen.

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(03. Dezember 2018) Mayar Warda möchte unbedingt Polizist werden, hier in Deutschland. Der 15-jährige Syrer kennt die Polizei auch aus seiner Heimatstadt in der Nähe von Damaskus. Doch dort haben Gesetzlose ihre eigenen Regeln durchgesetzt und seine Familie bedroht. Ein Grund, warum sein Vater Amar Syrien 2014 verlassen hat. Auf einer lebensgefährlichen Reise ist er bis nach Deutschland geflohen. Die Aktion „Familien gehören zusammen“ hat Amar, Mayar und den Rest der Familie Warda in Erfurt wieder vereint.

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Von links: Mayar, Feryal, Amar und Rakan Warda in der Michaelisstraße in Erfurt.
Die syrische Familie hat die lebensbedrohliche Situation in Syrien verlassen und beginnt in Thüringen ein neues Leben. (Foto: Frieder Weigmann)

Ein Leben in ständiger Angst
Ahmad Amar Warda ist 42 Jahre alt. In Syrien hat der Familienvater mit seiner Frau und seinen drei Söhnen in einer Kleinstadt bei Damaskus gewohnt. Amar hat dort gearbeitet, die Söhne sind zur Schule gegangen, Mutter Feryal hat sich um den Haushalt gekümmert. Eine ganz normal und glückliche Familie. Mit dem Beginn des Syrienkonflikts hat sich die Situation der Familie dramatisch verändert.
„In Syrien reicht es, wenn du den falschen Familiennamen hast und du kannst Probleme bekommen.“ So berichtet uns Amar von der damals angespannten Situation. Die Region, aus der man kommt, den Dialekt, den man spricht, den Namen man du trägst – daran haben die verschiedenen Konfliktparteien Freund und Feind festgemacht. Als „bewaffnete Gangster“ beschreibt Amar die Leute, die ihn und seine Familie damals bedroht haben. „Sie wollten Geld für Waffen erpressen. Kindesentführungen kamen damals häufig vor. Wer Geld besitzt, ist in Gefahr.“ Die Situation klingt mehr nach einem Raubzug, denn nach einem religiösen Konflikt.
Die Situation wurde für die Familie zunehmend ernster. Von den einen Nachbarn wurden sie unterstützt, von den anderen bedroht. Die Jungen kamen aus der Schule und berichteten von getöteten Mitschülern. Der bewaffnete Konflikt tobte auch in den Straßen der Kleinstadt. Die einschlagenden Gewehrkugeln haben den Kühlschrank und andere Küchengeräte zerstört, glücklicherweise aber kein Familienmitglied getroffen.
Im Oktober 2014 fällt Amar die Entscheidung, Syrien zu verlassen und für seine Familie eine sicherere und friedlichere Heimat zu finden.

Eine Odyssee durch die halbe Welt…
Amars Reise war lang und gefährlich. Von Syrien über den Libanon und Algerien kam er bis zum Mittelmeer. Sein Geld hat er auf der Reise zum großen Teil verloren. Was nicht von den Grenzoffizieren als „Wegezoll“ kassiert wurde, haben ihm Schlepperbanden in der Wüste geraubt. In jedem Land, in dem er war, hat sich Amar Besserung erhofft. Es wurde aber nicht besser. Viele Syrer haben damals im Herbst 2014 die Heimat verlassen und Schutz in anliegenden Ländern gesucht. Es gab für dort aber kaum Wohnungen, kaum Arbeit, kaum eine Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben.
„Ich muss nach Europa.“ Der Entschluss stand für Amar fest. In einem Boot tritt er die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer an. Er kommt nach Italien, Österreich und schließlich nach Deutschland. Polizisten greifen ihn und andere Syrer in München auf. Ein Asylverfahren wird eingeleitet, heute besitzt er einen anerkannten Asylstatus und wohnt in Erfurt. Mit leeren Händen stand er nach der Flucht damals da. Wie konnte er seiner Familie helfen?

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Rakan und sein jüngerer Bruder Mayar gehen in Erfurt zur Schule.
Nach dem Abschluss strebt Mayar eine Karriere als Polizist an. (Foto: Frieder Weigmann)

Über 600 Familien sind wieder vereint
Von einem Freund bekam er den Tipp, sich an die Beratungsstelle ausländischer Mitbürger des Kirchenkreises Erfurt zu wenden. Hier bekam er Hilfe. Die Flugtickets für seine Familie wurden über die Aktion „Familien gehören zusammen“ finanziert. Zehn Monate nach dem Beginn der Flucht ist die fünfköpfige Familie wieder vereint.
Es fiel den Wardas schwer, die einst so vertraute Heimat zu verlassen, aber sie finden Erfurt sehr schön und fühlen sich dort wohl. Amar macht eine Ausbildung zum Industrie-Elektroniker in Leipzig. Feryal schließt gerade ihren Sprachkurs ab und will dann eine Ausbildung als Floristin starten. Rakan, der älteste Sohn, ist in der Berufsqualifizierung für eine Ausbildung als Industriemechaniker. Seine beiden jüngeren Brüder gehen in Erfurt zur Schule. In der Freizeit haben die jungen Muslime viel Zeit mit Gleichaltrigen in einer Erfurter Kirchengemeinde verbracht. In Deutschland sind sie sicher. Aber können Sie sich derzeit eine Rückkehr in die Heimat vorstellen? Nein, da ist sich die Familie einig. „Deutschland hat mir das Leben gerettet. Deswegen möchte ich helfen.“, sagt Mayar, der Polizist werden will. Aus den Worten klingt auch eine Sehnsucht nach Sicherheit, die nach dem Erlebten mehr als verständlich ist.

Hintergrund: Die „Aktion Familien gehören zusammen“ unterstützt von Krieg und Flucht zerrissene Familien. So können zum Beispiel Flüge für Familienangehörige finanziert werden. Über 600 Familien konnten bisher so zusammengeführt werden. Sie alle besitzen einen anerkannten Schutzstatus. Subsidiär geschützte Familien konnten von der Aktion bisher nicht profitieren, da die politischen Hürden den Familiennachzug praktisch unmöglich machen. Die Familien, die Unterstützung erfahren, werden von den 50 Beratungsstellen der Diakonie in Mitteldeutschland ausgewählt. Bis Ende des Jahres versuchen wir 10.000 Euro Spenden zu generieren - dann wird die gesamte Spende von der Bethe-Stiftung noch einmal verdoppelt und könnte ungefähr dreißig weitere Familien unterstützen. Mehr Informationen finden Sie unter www.familien-gehoeren-zusammen.de