Zum Start der Arbeitsrechtlichen Kommission, 23. Juni 2021

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Dr. Martina von Witten
Kaufmännische Vorständin

Diakonie Mitteldeutschland
Merseburger Straße 44, 06110 Halle (Saale)
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Dr. Martina von Witten


(24. August 2021) Dass es die Arbeitsrechtliche Kommission überhaupt geben soll und gibt, ist in einem Konzept, einer Idee begründet: der Dritte Weg. Wir gebrauchen diese Bezeichnung als terminus technicus und unterstellen allzu oft, dass schon jeder wüsste, was damit gemeint ist. Aber es ist eben ein Weg, nicht das Ziel. Ein Weg mit krummen Linien, unübersichtlichen Abschnitten, Wegmarken und Hinweisschildern, Witterungseinflüssen. Wir reden ja bewusst nicht von der Ewigkeit, vom Angekommensein, von einer Insel der Glückseligkeit. Das sollten wir unterwegs nicht vergessen, dass zum Beschreiten von Wegen die Mühen, die Durststrecken, der Gegenwind, das manchmal schwere Gepäck, mal zu viel Sonne und mal das Frösteln gehören. Da ist es ganz ehrlich und angemessen, von dem „mühsamen“ Dritten Weg, auch vom „umstrittenen“ Dritten Weg zu sprechen – niemand hat Leichtigkeit versprochen. Verbesserungen sind möglich, aber der Wege- und Straßenbau ist immer ein harter Job.

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Dr. Martina von Witten, Kaufmännische Vorständin der Diakonie Mitteldeutschland (Foto: Diakonie Mitteldeutschland)

Wir begründen den Dritten Weg gern mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche. Das kommt leider oft beharrend rüber, manchmal gar trotzig. Dabei ist das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen doch nicht der Grund, sondern nur der Rahmen, in dem wir uns bewegen. Der eigentliche Grund für dieses Selbstbestimmungsrecht ist doch die verfassungsrechtlich ganz nüchtern anerkannte Tatsache, dass der Staat in seinen Organisationsformen und bewusst eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten nichts Besseres anbieten und einrichten kann, als das, was wir als christliche Gemeinschaft schon lange vor der Staatlichkeit erarbeitet, erprobt, begründet, verworfen und immer wieder neu gefasst haben – eben auf einem Weg, der einfach vor allem unser Weg ist.

Und auch das müssen wir uns und bestenfalls auch Beobachtern und Kritikern verdeutlichen – es geht um den Weg der Nachfolge Christi. „Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich …“, - da haben andere vor uns viel schlimmere Erfahrungen gemacht als wir. Aber es ist gewiss gut, auch diese Dimension im Blick zu haben: Es kann auch folgerichtig ein Leidensweg sein.

Die Arbeit in der Arbeitsrechtlichen Kommission neu zu starten mit dem freundlichen Hinweis: Es könnte weh tun!, ist im ersten Hören sicher nicht motivierend. Aber wir alle hier im Raum wissen, dass es nicht um beglückende Stunden ehrenamtlicher Selbstwertsteigerung gehen wird. Jede sportliche Leistung, jede Bergbesteigung, jede Pionierleistung erbringen Menschen in dem Bewusstsein: Es könnte schwer werden und anders, als von mir erwartet. Das Glücksgefühl der ersten absolvierten Etappe baut genau darauf auf – ich habe Schwierigkeiten überwunden, meine Kraft gespürt, etwas dazugelernt. Hinfallen und wieder aufstehen.

Klaus von Dohnanyi wird heute 93 Jahre alt. Ein aufrechter Sozialdemokrat und Protestant, ein Kämpfer und Streiter, der viel bewegt und ausprobiert hat, der mit Willy Brandts Rücktritt 1974 aus der Bundesregierung ausschied, als Hamburger Bürgermeister 1988 zurücktrat und in den letzten Jahren die Verluste der SPD als selbstgemacht kritisierte. Er kann offen über das Scheitern reden und er tut es auch. Doch wir kennen ihn als wichtige und mahnende Stimme über Jahrzehnte. Sein Eintreten für Dialog und Demokratie war und ist wegweisend. Ein Mensch mit Weitblick, Moral und Integrität, der mal gesagt hat: „Ich glaube, man hat die Pflicht, sein Pech zu begrenzen.“

So nüchtern und klar könnte sich ein Gremium wie die Arbeitsrechtliche Kommission durchaus motivieren: realistische Etappenziele setzen, Schaden begrenzen, für Unwägbares wachsam und aufmerksam sein; keine Glücksversprechen in Enttäuschung überführen, dafür aber Schmerzen überwinden und Erreichtes feiern.

Ich glaube, die Arbeitsrechtliche Kommission hat die Pflicht, ihr Scheitern zu verhindern.


Hintergrund: Die Arbeitsrechtliche Kommission regelt die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden der diakonischen Einrichtungen in Mitteldeutschland. Dazu gehören zum Beispiel Entgelterhöhungen und Arbeitszeitregelungen. Die Kommission ist zu gleichen Teilen besetzt mit Dienstgebern – in der Regel Geschäftsführende diakonischer Einrichtungen – und Dienstnehmern, also Mitarbeitende in diesen Einrichtungen. Sie verhandeln direkt und unmittelbar miteinander Änderungen der Arbeitsbedingungen. Diese Regelungen werden in den „Arbeitsvertagsrichtlinien“ (AVR) festgehalten. Sie sind für alle Träger und Einrichtungen verbindlich, die Mitglied in der Diakonie Mitteldeutschland sind.

Die konstituierende Sitzung der neu gewählten Kommission fand am 23. Juni 2021 in den Räumen der Stadtmission Halle statt, auf der Dr. Martina von Witten gesprochen hat. Die Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitsrechtlichen Kommission für die Jahre 2020/2021 finden Sie auf unserer Webseite.