Beratungsanfragen verfünffacht - Der Wärmewinter in Halberstadt

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(21. Februar 2023) Dienstagmittag in Halberstadt im Landkreis Harz. In einem hellen und freundlichen Raum im „Haus der Diakonie“ sitzen Menschen zusammen, unterhalten sich und genießen eine heiße Bohnensuppe, mit am Tisch auch Beraterinnen der Diakonie. Neben den Gesprächen über das Wetter, Neuigkeiten aus dem Stadtgeschehen oder der Familie offenbaren einige die Probleme, die sie belasten: Habe ich Anspruch auf die Anerkennung eines Pflegegrads? Ist das Wohngeld etwas, das mich gerade unterstützen könnte? Was bedeutet die Einführung des Bürgergeldes für meine Finanzen? Nicht alle kommen mit einem konkreten Anliegen oder Beratungswunsch zum „Suppen-Dienstag“. Viele genießen einfach das Essen, die Gespräche und die Gemeinschaft. Mehr über den Suppen-Dienstag des Diakonischen Werkes in Halberstadt erfahren Sie in unserem aktuellen Beitrag.

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Angelika und Reiner Hoffmann zählen zu den Stammgästen des Suppen-Dienstags. Sie genießen besonders die Gespräche und den Austausch mit anderen Menschen aus der Stadt. (Foto: Diakonie Mitteldeutschland)

Für Angelika (75) und Reiner (80) Hoffmann gehört der Suppen-Dienstag schon fest in das Wochenprogramm. Das Rentner-Ehepaar aus Halberstadt gehört zu den Stammgästen des Angebots, das im Rahmen der Aktion #wärmewinter von Kirche und Diakonie entstanden ist. Sie freuen sich über die kostenlose warme Mahlzeit, die Begegnung und die Gespräche mit anderen. Die Aktion #wärmewinter ist gestartet um Menschen in Not zu helfen und gut durch den Winter zu begleiten. Der Krieg, die gestiegene Inflation, hohe Sprit- und Energiepreise – die Probleme, die Menschen in diesem Wetter bewegen, sind vielfältig. Manche sind auch einfach einsam oder sie sehnen sich nach Austausch.

Gabriele Schwentek, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes in Halberstadt, sieht eine deutliche Verschärfung der sozialen Probleme in der Stadt. Viele Menschen sind mit bürokratischen Hürden, neuen Gesetzen und Unterstützungsanträgen überfordert. Die Beratungsanfragen an die Hilfeeinrichtungen haben sich in den letzten Monaten verfünffacht. Wohngeld, Kinderzuschlag, Bürgergeld und Schulden sind die Hauptgründe für den starken Aufwuchs. Oft sind es ganz einfache Fragen, die die Menschen in die Beratung mitbringen. So wie die Finanzierung der Essensgeldzahlung für das Kind in der Kita, damit dieses jeden Tag eine warme Mahlzeit bekommt.

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Das „Haus der Diakonie“ in der Bödcherstraße 2 in Halberstadt bietet noch bis zum 28. Februar jeden Dienstag von 13 bis 15 Uhr eine warme Suppe und hilfreiche Gespräche an. Jede und jeder ist willkommen! (Foto: Diakonie Mitteldeutschland)

Den gestiegenen Beratungsanfragen steht ein Beratungsangebot am Limit gegenüber. Der Ausbau der Beratung und die Finanzierung von Fachberaterinnen und Fachberatern ist immer wieder eine Herausforderung.

Viele Menschen trauen sich nicht, für eine Beratung zur Diakonie zu gehen. Oft ist Scham oder Unsicherheit der Grund. Der Suppen-Dienstag bricht diese Barriere auf. Die Menschen kommen, weil sie sich über die Suppe freuen, denn ein vergleichbares Angebot gibt es in der Stadt nicht. So kommt man ins Gespräch mit den Beraterinnen und Beratern, Hürden werden abgebaut und so manches Herz dann doch ausgeschüttet. Manche finden den Mut dazu auch erst beim zweiten oder dritten Besuch.

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Soljanka, Bohnensuppe, Kartoffelsuppe. Der Suppen-Dienstag hat ein abwechslungsreiches kulinarisches Angebot. Die „Extra-Wurst“ gehört dabei immer mit dazu. (Foto: Diakonie Mitteldeutschland)

Besonders die Armut ist ein Thema, das oft verschwiegen oder kleingeredet wird. Viele nehmen keine Hilfe in Anspruch – aufgrund des Willens es „allein schaffen zu wollen“ oder weil sie Hilfs- und Unterstützungsleistungen schlicht und einfach nicht kennen. Wohngeld, Pflegegeld, Kindergeld – die unterschiedlichen Leistungen erschließen sich nicht jeder und jedem. Gut, dass die Beraterinnen und Berater des Diakonischen Werks Halberstadt immer zum Suppen-Dienstag vertreten sind und helfen. Armut ist oft nicht auf den ersten Blick erkennbar. In der Kleiderkammer der Diakonie gibt es auch abgelegte aber gut erhaltene Designerkleidung. Viele Menschen in Halberstadt besitzen ein eigenes Haus, können sich aber die Kosten für den Strom oder das Heizöl nicht mehr leisten. Erst im Gespräch mit den Menschen offenbart sich, wie groß die Not bei einigen wirklich ist.

Das Ehepaar Hoffmann blickt zum Glück sehr entspannt auf die aktuelle Situation: „Wir sind bescheiden. Wir kommen zurecht.“ Das ist leider nicht bei allen Menschen der Stadt so, wie der Beratungsbedarf zeigt. Die #wärmewinter-Aktionen, die Menschen mit warmen Räumen und warmen Herzen empfangen wollen, legen die verborgenen Probleme offen und zeigen die Notwendigkeit, dauerhaft niedrigschwellige Angebote für Menschen zur Verfügung zu stellen. In Halberstadt hat man da schon eine konkrete Idee, wie es nach dem Ende des „Suppen-Dienstags“ weitergehen soll: Ab März soll ein „Offener Wärmetreff“ in der Begegnungsstätte den Menschen ein Anlaufpunkt sein. Die Beraterinnen und Berater wollen dabei mit den Menschen ins Gespräch kommen zu Antragstellungen zur möglichen Übernahme von Kosten für Strom und Nebenkosten. Auch die Umstellung von „Hartz IV“ auf das „Bürgergeld“ bringt viele Fragen und den Wunsch nach einer guten Beratung mit sich, die dort beantwortet werden sollen. So soll noch länger ein Angebot für Menschen in Halberstadt aufrecht erhalten werden, die von Armut, Ausgrenzungserfahrungen oder Einsamkeit geplagt werden.

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Eine warme Bohnensuppe, Kaffee, Kuchen, Bonbons und Servietten mit Herzmotiv – der Empfang zum „Suppen-Dienstag“ ist herzlich und zugewandt. (Foto: Diakonie Mitteldeutschland)

Angelika und Reiner Hoffmann haben inzwischen das Essen und das Gespräch mit uns beendet und sich für den Aufbruch fertiggemacht. Wiederkommen werden Sie in der nächsten Woche auf jeden Fall. Denn dann erwartet Sie neben den anregenden Gesprächen und der Wärme auch eine gute Soljanka im „Haus der Diakonie“.

Einen lesenswerten Beitrag zum Suppen-Dienstag der Diakonie in Halberstadt finden Sie auch beim Mitteldeutschen Rundfunk.

Hintergrund: Hohe Strom- und Heizkosten, gestiegene Kosten für Lebensmittel, dazu ein Krieg mitten in Europa, der schon seit einem Jahr andauert – viele Menschen erleben diesen Winter kalt und voll Angst oder Unsicherheit. Manche stehen finanziell soweit am Rand, dass ihre Existenz bedroht ist. Gleichzeitig sind jede Woche lautstarke Proteste auf der Straße, die auch zahlreiche Feinde der Demokratie anlockt. Die Aktion #wärmewinter von Diakonie und Kirche will der (sozialen) Kälte Nächstenliebe und Zuwendung entgegensetzen. Deswegen wurden die Kirchensteuermehreinnahmen aus der Energiepauschale in die Finanzierung von Tafeln, Wärmestuben, Kleiderkammern und anderen Formen der Unterstützung investiert. So kann Menschen geholfen werden, deren Not in diesem Winter am größten ist. Weitere Informationen finden Sie unter www.diakonie.de/waermewinter. Unterstützen können Sie die Aktionen mit einer Spende an "Diakonie - Hilfe vor Ort".