Soziale Teilhabe kommt im Wahlkampf kaum vor

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OKR Christoph Stolte
Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland

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Von Oberkirchenrat Christoph Stolte

(21. September 2017) Im laufenden Wahlkampf spielen soziale Themen kaum eine Rolle. Obwohl die Wahlprogramme der Parteien soziale Ziele und Forderungen formulieren, wird darüber wenig gesprochen und diskutiert. Wir haben die Wahlprogramme der Parteien eingehend analysiert und verglichen. Bei der Betrachtung der sozialpolitischen Vorschläge zur Bundestagswahl 2017 fällt auf, dass zum Beispiel Armut kaum thematisiert wird. Dabei erhalten über sechs Millionen Menschen in Deutschland ergänzend oder in voller Höhe Arbeitslosengeld II oder leben mit einem Leistungsbezieher in einer Hartz IV-Bedarfsgemeinschaft. Circa eine Million Menschen erhalten Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung und beziehen damit Leistungen etwa in Höhe von Hartz IV. Auch wenn die Arbeitslosenzahl insgesamt sinkt, bestimmt somit für etwa sieben Millionen Menschen die Höhe der Grundsicherung, in welchem Umfang ihnen gesellschaftliche Teilhabe möglich ist. Diese Zahl steigt auf acht Millionen, wenn Menschen mit Bezügen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz hinzugerechnet werden.

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Aktion „Wenn Armut Mauern baut“ auf dem Marktplatz Halle 2006. Seit mehr als zehn Jahren fordern wir höhere und eigenständig berechnete Regelsätze für Kinder, deren Eltern Hartz IV beziehen. (Foto: Archiv)

Die Betroffenen müssen nicht verhungern, aber sie sind weitgehend von Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen. Sie verlieren den Kontakt zu Freunden und Nachbarn, ihr gesundheitlicher Status verschlechtert sich, Kinder können nicht an Klassenfahrten teilnehmen, Jugendliche haben weitaus schlechtere Chancen beim Start ins eigene Leben. Die Altersarmut steigt. Laut Robert-Koch-Institut ist die Sterberate bei armen Menschen deutlich höher. Arme Männer sterben im Durchschnitt elf Jahre, Frauen acht Jahre früher als besser situierte Menschen.

Die Fakten sind lange bekannt. Es ist ein Skandal, dass es trotz jahrelangem Wirtschaftswachstum und großer Wohlstandsgewinne nicht gelingt, diesen Menschen etwas mehr zum Leben und damit auch mehr Lebenszeit zu geben. Die Diakonie fordert seit vielen Jahren, dass die Regelsätze für Menschen, die von Grundsicherung leben, angehoben werden. Erwachsenen Menschen und insbesondere Kindern in Armut helfen nur Regelsätze, die sachgemäß und transparent ermittelt und so erhöht werden, dass sie über eine Grundversorgung hinaus soziale Teilhabe wirklich möglich machen.