Klartext statt Klatschen - jetzt rede ich!

(21. April 2021) Liebe Pflegerinnen und Pfleger, wie geht es Ihnen? Werden Sie das oft gefragt? Wie geht es Ihnen – mit den Pandemiewellen, die uns alle und die Pflege besonders in Schach hielten und halten? Eine Frage, die zu selten gestellt wird – gerade an unsere engagierten Pflegekräfte. Es wird viel über sie, aber zu wenig mit ihnen geredet. Deswegen starten wir den Aufruf „Klartext statt Klatschen!“ Die Hintergründe zur Aktion lesen Sie in diesem Blog.

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Unter dem Stichwort „Klartext statt Klatschen“ lassen wir Pflegekräfte zu Wort kommen. Die Kurzvideos werden wir auf YouTube, Facebook und auf unserer Homepage veröffentlichen. (Foto: Diakonie Mitteldeutschland)

Die Inzidenz-Zahlen steigen schon wieder und damit auch bei vielen Pflegekräften die Herausforderungen.

Das Klatschen hat sicher gutgetan. Vor knapp einem Jahr haben Menschen, die in der Pflege arbeiten, damit so viel symbolische Anerkennung und emotionale Unterstützung bekommen, wie vielleicht noch nie zuvor. Und gleichzeitig mussten Sie erleben, dass die persönliche Schutzausrüstung nicht reicht, dass der bestehende Personalmangel für alle noch mehr Arbeit bedeutet, dass die versprochene Prämie sehr spät ausgezahlt wurde …

Wir haben damals mit den Pflegekräften gesprochen. Auch ein Jahr später haben die Worte nichts an Bedeutung verloren:

Helga S., (45) Mitarbeiterin eines Krankenhauses
„Als die ersten Meldungen zu dem Virus aus China kamen, war das für uns auf der Intensivstation noch ganz weit weg. Ich erinnere mich, dass wir das erste Mal darüber diskutierten, als es die Fälle in Bayern gab. Da wurde klar, dass das Virus auch bei uns ankommen könnte. In den nächsten Wochen verfolgten wir die Entwicklungen in Österreich, Italien und in Deutschland. Uns wurden die Ausmaße langsam bewusst. Wir wurden in der Klinik über das Virus informiert, welche Symptome typisch sind, welche Behandlungsoptionen es gibt, wie der Verlauf sein kann. Aber eigentlich wussten wir am Anfang sehr wenig.

Dann wurde eine Corona-Station eingerichtet, alles musste ganz schnell gehen. Die ersten Erkrankungsfälle, die stationär behandelt werden mussten, wurden erwartet. Als erfahrene Intensivschwester hatte ich mich bereit erklärt, auf der Corona-Station zu arbeiten. Ich war voller Anspannung und hatte auch Angst, gar nicht so um mich, sondern eher um meine Eltern und meinen Mann, die aus unterschiedlichen Gründen zu der Risikogruppe gehören. Und dann im März kamen die ersten Patienten. Wir haben um jedes einzelne Leben gekämpft, und manchmal haben wir diesen Kampf verloren. Das Virus ist tückisch und kann viel Schaden anrichten. Wir haben alte Menschen behandelt und junge Männer und Frauen, Väter, Mütter, Töchter und Söhne. Wenn sie auf unsere Station kamen, hatten die meisten Angst vor dem was kommen könnte. Wir konnten sie ihnen nicht immer nehmen. Besonders schwierig war, dass die Patienten keinen Besuch bekommen konnten. Soweit das möglich war, haben wir versucht, Kontakte über WhatsApp oder Skype zu ermöglichen. Die Angehörigen waren in großer Sorge um ihre Liebsten. Es zerriss mir fast das Herz. Wir haben uns mit jedem gefreut, der es geschafft hat, das Virus zu besiegen, auch wenn manche von ihnen noch einen langen Weg der Reha vor sich haben.

Wir waren und sind sehr sorgfältig und legen viel Wert auf unseren persönlichen Schutz, da achten wir sehr drauf, auch untereinander. Trotzdem wurde ein Kollege krank. Da bin ich, ehrlich gesagt, etwas in Panik geraten. Wir wurden dann alle getestet, auch mehrmals. Zum Glück hatte sich niemand weiter angesteckt. Der Kollege hat das Virus gut überstanden. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Im Sommer wurde es ruhiger bei uns, ich habe auch wieder auf meiner alten Station gearbeitet.

Jetzt steigen die Zahlen wieder, es werden wieder mehr Erkrankte zu uns kommen. Wir wissen jetzt mehr darüber, was im Kampf gegen das Virus hilft. Trotzdem habe ich ein mulmiges Gefühl. Ich schöpfe meine Kraft in dieser Zeit aus meiner Familie, der Natur und aus Gott.“

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Sie sind Pflegekraft in einer diakonischen Einrichtung? Wir sind gespannt darauf, Ihre Gedanken zu erfahren. Wie Sie sich beteiligen können, erfahren Sie hier. (Foto: Diakonie Mitteldeutschland)

Seit diesem Bericht ist fast ein Jahr vergangen. Vieles hat sich seitdem verändert – vieles aber nicht. Was bewegt die Pflegekräfte heute? Welche Sorgen, aber auch welche Hoffnungen treiben Sie um? Woraus schöpfen Sie Kraft und Zuversicht? Welche Hürden erschweren die Arbeit? Welche Erfolgsgeschichten gibt es in dieser Zeit zu erzählen? Welche traurigen Erlebnisse müssen erst einmal verarbeitet werden? Es ist Zeit, zuzuhören, zu verstehen und zu reflektieren.

Deswegen bitten wir die Pflegekräfte diakonischer Einrichtungen mit dem Aufruf „Klartext statt Klatschen“, darüber zu reden, was sie erlebt haben, was sie persönlich in der Krise gelernt haben, welche Fragen für sie offenbleiben, was sie sich von der Gesellschaft wünschen und von den Personen, die Entscheidungen treffen.

Hintergrund: Unter der Überschrift „Klartext statt Klatschen – jetzt rede ich!“ möchten wir Beiträge diakonischer Pflegekräfte auf den Kanälen der Diakonie Mitteldeutschland veröffentlichen – auf Youtube, Facebook und auf unserer Homepage. Am 12. Mai ist der Internationale Tag der Pflege. Bis dahin wollen wir einige Video-Beiträge haben, mit denen wir politisch Verantwortliche und die Öffentlichkeit aufmerksam machen auf das, was im Reden über die Pflege noch zu kurz kommt.

Liebe Pflegerinnen und Pfleger, Ihre Meinung, Ihre Erfahrung, Ihr Beitrag ist wichtig! Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie sich beteiligen. Wie das tun können, erfahren Sie hier.

  • Frieder Weigmann
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  • Tristan Emanuel Fürstenau
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